Modul 2: Funktionsweise von GIS

2.4    Differenzierung von GIS

Kartographische Abbildungen, interaktive Karten, Web-GIS oder Desktop-GIS sind heutzutage gängige Darstellungsformen bzw. Werkzeuge, die aus den öffentlichen Medien, den Fachanwendungen sowie der Forschung und Entwicklung nicht mehr wegzudenken sind. Aufgrund ihres unterschiedlichen Funktionsumfanges kommen die jeweiligen Anwendungen jedoch nutzerspezifisch und praxisorientiert in verschiedenen Bereichen zum Einsatz. So verbergen sich hinter Umweltinformationssystemen, Grundstückskatastern oder Netzinformationssystemen meistens Geoinformationssysteme, welche auf die speziellen Anforderungen zugeschnitten sind und teilweise auf unterschiedlichen informatischen Konzepten beruhen. Bei der Verwaltung von Grundstücken geht es z.B. primär um Grenzverläufe und deren exakte Positionierung. Grundstücksgrößen (Flächen), Grenzverläufe (Linien) und Grenzsteine (Punkte) haben eine bedeutende Rolle, so dass es vor allem auf die geometrische Exaktheit des Datenbestandes und der kartographischen Abbildung ankommt. Bei Netzinformationssystemen hingegen werden z.B. Ver- oder Entsorgungsnetze für Gas, Wasser oder Strom abgebildet. Eine Leitung wird im System durch eine Linie repräsentiert, bedarf aber zusätzlicher Informationen etwa über die (Fließ-)Richtung, der Durchflussmenge oder der Verzweigung an Kreuzungen.


Abbildung 2.4.1: Unterschiedliche Endgeräte für GIS-Anwendungen (Quelle: https://www.topographics.de/gis-anwendungen/gis-applikationen/esri-gis/).

 
Interaktive Karten

Kartographische Darstellungen gehören heute bei vielen Webseiten zu einer gängigen Information. Ob bei Tourismusdestinationen, Firmenpräsentationen oder Webauftritten von Gemeinden und Städten, Geoinformation ist stets präsent und wegen ihrer hohen Anschaulichkeit an zentralen Stellen positioniert. Waren früher die meisten Kartendarstellungen statisch und konnten vom Nutzer nur betrachtet aber nicht verändert werden, sind heute die Karten zumeist interaktiv gestaltet. Damit kann der Nutzer selbst den Informationsgehalt und die Informationsfülle bestimmen bzw. abrufen. Zu den Merkmalen interaktiver Karten gehören Funktionen wie Zoom, Standortsuche, Verschieben des Kartenausschnittes, anklickbare Elemente, Abrufen von Informationen, Verändern von Farben und Symbolen oder das Ein- und Ausblenden von Informationsebenen (z.B. Wetterdaten, Wanderwege, Straßen, touristische Sehenswürdigkeiten, Gebäude und vieles mehr).

Interaktive Kartendienste werden heute von vielen Firmen angeboten (u.a. Google, Microsoft, Yahoo, …). Google Maps ist wohl das bekannteste Informationsportal. Es bietet neben den bereits erwähnten interaktiven Funktionen mittlerweile ein breites Anwendungsfeld. So lässt sich z.B. zwischen einer Karten- und einer Satellitenansicht (Luftbild) wechseln oder sogar eine Verschneidung aus beiden (Hybrid) anzeigen.

Eine andere häufig genutzte Funktion von Google Maps ist die Ermittlung von Fahrrouten. Durch die Definition eines Start- und Zielortes anhand von Adressdaten können Informationen zu optimalen Fahrstrecken abgerufen werden. Das Ergebnis wird sowohl auf der Karte als auch in einer textlichen Erläuterung mit Navigationsanweisungen präsentiert. Zusätzlich werden alternative Routen vor- geschlagen, die in der Wegstrecke oder der Fahrzeit abweichen können. Durch ein einfaches Anklicken der ermittelten Fahrstrecke in der Kartendarstellung lässt sich die Route beliebig verschieben. Das System aktualisiert stets die Auskünfte zu Streckenlänge und Zeit. Die Qualität der Auskünfte hängt dabei von den vorliegenden Geodaten, im Besonderen des Straßennetzwerkes, und den verwendeten Algorithmen zur Routenermittlung ab. Um aussagekräftige Informationen zu erhalten, muss im Datenbestand hinterlegt sein, ob es sich bei der Straße z.B. um eine Einbahnstraße handelt, wie schnell ich darauf fahren darf oder ob die Straße überhaupt für Autoverkehr freigegeben ist. Da sich das Straßennetz auch verändern kann, gilt es, die Geoinformationen stets aktuell zu halten. Neuerdings wird sogar versucht, Stau- und Unfallinformationen in Echtzeit in die Berechnungen von zeitoptimalen Routen mit einzubeziehen.

Der Markt für Geodaten und Geoinformationssysteme wurde durch die Entwicklungen im Bereich interaktiver Karten und virtueller Globen revolutioniert. Obwohl die Softwarelösungen, wenn auch nicht in der heute bekannten Qualität, bereits seit den 70er Jahren vorhanden waren, lag es vor allem an der mangelnden oder mit sehr hohen Kosten verbundenen Verfügbarkeit an Geodaten. Was ist also ein Geoinformationssystem ohne Daten? Erst durch die breite Einführung von frei zugänglichen Geoinformationsdiensten durch z.B. Google und anderen großen Internet- bzw. Softwarefirmen veränderte sich der Umgang mit Geoinformationen. Seither sind digitale Geodaten wie Straßennetze, Staatsgrenzen oder Satellitenbilder, die vormals nur Militärs, Behörden oder zahlungskräftigen Nutzern vorbehalten waren, einsehbar. Durch den Wettbewerb der verschiedenen Systeme untereinander und auch dem Wettbewerb zwischen kommerziellen Anbietern und staatlichen bzw. amtlichen Kartendiensten, erfolgte eine rasante Ausdehnung des Geodatenbestandes, die bis heute anhält. Dadurch bestehen heute völlig neue Möglichkeiten Geoinformationssysteme einzusetzen.

Im Internet überwiegen interaktive Karten bzw. interaktive kartographische Anwendungen. Mit ihnen können vor allem Statistiken sehr schnell und bequem kartographisch visualisiert und einem breiten Publikum präsentiert werden. Im Gegensatz zu einem umfassenden GIS können dort jedoch keine neuen Daten integriert, sondern nur vom Autor vorgegebene Ansichten und Funktionen genutzt werden. Es handelt sich folglich zwar um interaktiv präsentierte, aber im Datenbestand geschlossene Systeme und somit um raumbezogene Auskunfts- und Informationssysteme.6

Web-GIS

Web-GIS Anwendungen sind wegen ihrer Präsenz im Internet – im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine Website oder Web-Applikation – auf den ersten Blick ähnliche Darstellungsformen, der Unterschied allerdings ist gravierend. So erlauben webbasierte GIS einen wesentlich größeren Funktionsumfang, der dem Nutzer die Möglichkeit bietet, seine Karte individuell aus vorhandenen Daten zusammenzustellen (Maps on demand), den Ausschnitt frei zu wählen (Zoomen) und einfache Analyseschritte (z.B. Datenabfrage und Messen) durchzuführen. Zum Teil ist es sogar möglich bzw. erwünscht, eigene Daten in das System zu integrieren und damit den Datenbestand zu verändern. Aufgrund ihrer intuitiven Gestaltung brauchen die Nutzer solcher Webdienste i.d.R. keine speziellen GIS-Kenntnisse, sondern müssen lediglich den Umgang mit Internetbrowsern beherrschen und mit dem Navigieren bzw. Orientieren in Karten sowie dem Lesen von Karteninformationen vertraut sein. Besonders Webapplikationen zur Planung von Outdoor-Aktivitäten wie Radfahren, Mountainbiken oder Wandern verwenden diese Technik. Nutzer können sich eigene Routen am PC zusammenstellen und z.B. als GPS-Track downloaden. Aber auch Statistikämter und öffentliche Verwaltungen setzen derartige Anwendungen ein, um Bürger umfangreich zu informieren.7

Desktop GIS

Desktop-GIS bieten im Gegensatz zu interaktiven Karten und Web-GIS zahlreiche Analysewerkzeuge, eine verbesserte Datenverwaltung und einen uneingeschränkten Zugang zum Geodatenbestand (Manipulation), weshalb erst jetzt von einem umfassenden GIS im Sinne der genannten Definition gesprochen. Die Struktur der Software ist modular und gliedert sich häufig in drei Teilsysteme: Der Datenverwaltung und –organisation, der Analyse- und Abfrage sowie der Präsentationsoberfläche. Jedes Subsystem stellt spezielle Funktionen zur Erfassung, Speicherung, Prüfung, Manipulation, Integration, Analyse und Darstellung von Daten zur Verfügung. Die Qualität von Desktop-GIS-Angeboten definiert sich in der praktischen Anwendung zumeist über den Umfang an Analysewerkzeugen und deren Güte. Dabei zeigt sich, dass Open-Source-Produkte (z.B. QuantumGIS, gvSIG oder GRASS GIS) teilweise hinter kostenpflichtigen Softwarelösungen (ArcGIS oder Map3D) zurückbleiben, in den letzten Jahren aber eine stetige Funktionserweiterung erfahren haben.8

Mobile GIS

Ähnlich zu anderen webbasierten Anwendungen geht auch der Trend bei GIS einerseits in Richtung mobiler Endgeräte und andererseits zu zentralen Systemen. Applikationen für Mobiltelefone oder TabletPCs mit Kartendarstellungen oder räumlichen Auskunftsplattformen (z.B. Routenplanung) sind keine Seltenheit mehr und erobern zusehend den Alltag. Gleichzeitig werden über zentrale GIS Server spezielle räumliche Analysefunktionen bereitgestellt (GIS Application Server). Es können aber auch Daten gespeichert und auf Anfrage ausgeliefert (z.B. Geodatenbankserver) bzw. für eine Website oder Web-Application (Web-GIS Server) bereitgestellt werden.

Über die reine Routenberechnung im Internet hinaus ist der Bereich der mobilen Navigation aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche mobile Geräte wie Smartphones oder Navigationsgeräte für das Auto bieten in Verbindung mit globalen Satellitenpositionierungsdiensten (GNSS, Global Navigation Satellite Systems) Hilfe bei der Suche von Standorten an. Dabei steckt in einer Navigationssoftware, egal ob im Internet oder in mobilen Geräten, mehr als nur eine Anzeige von Karten auf einem Bildschirm. Wie können Netzwerke erfasst und sowohl kartographisch als auch topologisch richtig abgebildet werden? Welche Algorithmen eignen sich am besten für die Berechnung von Routen? Neben der reinen Suche nach einer optimierten Route, wie sie bereits am Beispiel von Google Maps ersichtlich wurde, ist bei der Navigation mit mobilen Geräten die Positionsbestimmung eine unverzichtbare Komponente.


Abbildung 2.4.2: Positionsbestimmung mithilfe von Satelliten.


Dabei greifen die Geräte auf die weltweit verfügbare Satellitenpositionierung zurück. Deren bekanntester Vertreter ist das amerikanische System Global Positioning System (GPS) bzw. NAVSTAR GPS. Erst seit etwa fünfzehn Jahren ist dieses eigentlich militärische Satellitensystem auch für zivile Anwendungen, wie etwa Fahrzeugnavigation verwendbar. Mit einer Genauigkeit von ca. 3 bis 5 Metern lässt sich anhand des GPS-Signals die eigene Position auf der Erde bestimmen. Durch eine ständige Positionierung ist sogar die Messung von Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit möglich.9

Die Positionsbestimmung durch Satelliten ist für viele Anwendungen der Geoinformatik wichtig und beeinflusst unser tägliches Leben: in vielen Autos sieht man Navigationsgeräte, nahezu jedes moderne Smartphone verfügt über die GPS Funktion und auch in vielen Notebooks bzw. TabletPCs wird GPS immer öfter integriert. Damit ist die Entwicklung aber nicht abgeschlossen. Mit dem europäischen System Galileo, dem russischen GLONASS und dem chinesischen System Compass gibt es vielversprechende Konkurrenten für GPS. Für einen vertiefenden Einblick in die Thematik der globalen Positionierungssysteme ist auf das Vertiefungskapitel „Global Navigation Satellite Systems“ verwiesen.

Virtuelle Globen

Aus Sicht der Geoinformatik eine konsequente Fortentwicklung, für die breite Öffentlichkeit ein faszinierendes Werkzeug: die Einführung von sogenannten Earth Viewern. Google Earth, Marble, Microsoft Bing Maps 3D oder NASA World Wind sind nur eine kleine Auswahl von vielen Programmen, die es erlauben, räumliche Daten und Satellitenbilder auf einem digitalen Globus zu betrachten. Bei den Virtuellen Globen handelt es sich ebenfalls um Geoinformationssysteme, die Auskunft über räumliche Strukturen und Prozesse geben. Die technische Herausforderung dabei ist zum einen die dreidimensionale Präsentation der Daten auf einem meist frei dreh- und zoombaren Globus sowie die Übermittlung (streaming) großer Geodatenmengen.

Virtuelle Globen verwenden als (kartographische) Grundlage zumeist Luft- und Satellitenbilder, welche passgenau auf die Erdoberfläche und auf ein digitales Geländemodell (DGM) projiziert werden (image drapping). Dadurch entsteht bei einer Schrägluftansicht der Eindruck einer dreidimensionalen fotorealistischen Ansicht (vgl. Abbildung 9). Zusätzlich zu den Satellitenbildern lassen sich weitere Geoinformationen wie etwa Straßen, Ortschaften oder so genannte points of interest (POIs) anzeigen. Virtuelle Globen ermöglichen es zudem, eigene Daten wie etwa Fotoaufnahmen oder eigene POIs in das System zu integrieren. Weitere Funktionen sind z.B. die Visualisierung des Sonnenverlaufs mit Schattenbildung, historische Luft- und Satellitenbilder oder die Betrachtung dreidimensional animierter Gebäude bzw. ganzer Städte.


Abbildung 2.4.3: Screenshot Google Earth.

Aktuelle Bestrebungen beschäftigen sich mit dem Einbinden von Echtzeitinformationen bzw. zeitnaher Informationen wie etwa Wolkenverteilung oder Wettergeschehen und der Sammlung weiterer Geoinformationen. Zu Letzterem zählt die systematische Erfassung ganzer Straßenzüge und Städte mit digitalem Bildmaterial durch 360° -Bodenansichten (Panoramabild). Virtuelle Globen werden zunehmend mit diesen Informationen ergänzt, um dem Nutzer einen Zoom bis auf die Bodenperspektive anzubieten. Damit lässt sich die Situation vor Ort aus einer simulierten Eigenperspektive betrachten.

Mit ihren faszinierenden Funktionen haben virtuelle Globen heute ebenso Eingang in den Alltag gefunden wie GPS oder Routenplanung. So bedienen sich z.B. Nachrichtensendungen im Fernsehen immer häufiger virtueller Globen, um die Region der betreffenden Nachricht vorzustellen oder Touristen, um ihren Urlaubsort vor Reisebeginn bereits virtuell zu besuchen. Die technologische Entwicklung geht indessen weiter. Neue Geodaten in immer besserer Qualität werden aufgenommen und deren Visualisierung z.B. auch auf mobilen Endgeräten verbessert. Zudem wird die Technologie auf andere Planeten bzw. Himmelskörper übertragen, so dass Google z.B. auch die Betrachtung des Mondes oder des Mars in dreidimensionaler Form anbietet.


Die umfassende Arbeit mit GIS erfordert heute eine Kombination aus den genannten Anwendungen und Möglichkeiten. So werden Geodaten zentral auf einem Server verwaltet, wozu ein entsprechendes Datenbankmanagement erforderlich ist. Nutzer greifen über das Internet auf diese Daten zu, Geospezialisten analysieren und verarbeiten die Daten im Desktop GIS und Web-Applikationen stellen die Informationen einem breiten Publikum zur Verfügung und machen sie auf mobilen Geräten einsetzbar. Das breite Anwendungsspektrum von GIS zeigt die große Relevanz räumlicher Informationen auf, geht es doch bei allen genannten Anwendungen schließlich darum, eine Verknüpfung von Raum und Information herzustellen.