Modul 2: Funktionsweise von GIS

Website: iLearn - Lernmanagementsystem der Hochschule Deggendorf
Kurs: vhb Demo: Einführung in Geoinformationssysteme und Geoinformatik
Buch: Modul 2: Funktionsweise von GIS
Gedruckt von: Guest user
Datum: Freitag, 17. Mai 2024, 10:17


Was Sie in diesem Modul erwartet:

In Modul 1 wurden Ihnen bereits die wichtigstens Begriffe sowie einige Anwendungsbereiche von GIS nähergebracht. Nach einem kurzen Abriss der geschichtlichen Entwicklung von GIS, sollen in diesem Modul die Eigenschaften und die Funktionsweise von Geoinformationssystemen behandelt werden. Neben der Darstellung der realen Welt mithilfe mehrerer abstrahierter Ebenen ist auf den Raumbezug aller dargestellten Daten zu verweisen, erkennbar an der Positionsangabe durch Koordinaten. Online Kartendienste und virtuelle Globen, wie Google Earth, bieten die Möglichkeit geographische Informationen nutzergerecht anzeigen zu lassen und erlauben zusätzlich Interaktionen wie etwa Zoomen, Informationsabfragen (z.B. Ortssuche) oder Messen (Strecke und Fläche). Um die Funktionsweise allgemeiner als auch nutzerspezifischer GIS-Anwendungen zu verstehen, ist es wichtig, den Aufbau, die Struktur und die einzelnen Arbeitsabläufe hinter einem Geoinformationssystem näher zu betrachten.

Nach Abschluss dieses Kapitels ...
  • kennen Sie den grundlegenden Aufbau und die Struktur von GIS und können diese sowohl beschreiben als auch praxisorientiert anwenden.
  • verstehen Sie die Funktionsweise von GIS.
  • kennen Sie die Benutzeroberfläche von QGIS und können mit einer Karte interagieren
  • können Sie selbstständig ein GIS-Projekt öffnen bzw. ein neues GIS-Projekt anlegen und abspeichern.

2.1    Die Geschichte des GIS

Das „Geographische Informationssystem“ (GIS) (engl. Geographic Information System) oder „Geo-Informationssystem“ ist das zentrale Werkzeug der Geoinformatik. Die Begriffe wurden bereits in den 1960er Jahren mit einer Software in Kanada (Canadian Land Data System, später Canadian Geographic Information System) in Verbindung gebracht, welche zum Ziel hatte, verschiedene Daten auf digitalen Karten darzustellen. Seither ist die gängige Abkürzung GIS für diese Systeme in der wissenschaftlichen Praxis geläufig und wird auch im öffentlichen Sprachgebrauch zunehmend verwendet. Die Grundfunktionen eines GIS sind auf die Erfassung, Verarbeitung, Analyse und Darstellung räumlicher Sachverhalte ausgerichtet und dienen vor allem der Raumuntersuchung und -planung als Werkzeug.1

Entwicklungsphasen2

Die Geschichte des GIS besteht aus mehreren Etappen. Alles beginnt mit der Digitalisierung der Dateneingabe und -speicherung.



Quiz
Ordnen Sie die Entwicklungsphasen von GIS in die richtige Reihefolge.

Die Geschichte des GIS besteht aus mehreren Etappen. Alles beginnt mit der Digitalisierung der Dateneingabe und -speicherung.



Interaktive Aufgabe
Betrachten Sie die Karte von John Snow auf einer aktuellen Karte von London mit dem Wikimaps Warper:

https://warper.wmflabs.org/maps/3440#Preview_tab





2.2    Aufgaben eines GIS

Das EVAP-Prinzip

Die vielfältigen und für Einsteiger oft komplizierten Arbeitsschritte lassen sich mit dem oft zitierten und bei den Informationssystemen bereits angesprochenen Kürzel EVAP (Erfassung, Verarbeitung, Analyse und Präsentation) zusammenfassen. Wie bereits im vorherigen Modul gelernt, beschreibt dieses Prinzip den Arbeits- und Funktionsumfang eines GIS, welcher auch aus den gegebenen Definitionen abgeleitet werden kann: von der Eingabe notwendiger Geodaten über die vielfältigen Möglichkeiten der Datenverarbeitung und Analyse bis zur Präsentation der Ergebnisse. Die jeweilige Funktion baut dabei auf der vorhergehenden auf. Entsprechend spiegeln die Schritte den chronologischen Arbeitsablauf einer üblichen GIS-Arbeit wider. Erweitert wird der schulmäßig dargestellte Prozess noch durch eine vorangestellte Recherche (R) von Daten, die allerdings nicht zwingend von dem GIS-Programm selbst vorgenommen wird, aufgrund der rasanten Entwicklung am Geomarkt jedoch an Bedeutung gewinnt. Dieser REVAP-Prozess (vgl. Abbildung 2.2.1) dient als Leitfaden des Kurses. Er gliedert die einzelnen Kapitel, in denen dann vertiefend auf den jeweiligen Prozessabschnitt eingegangen wird.3


Abbildung 2.2.1: Das EVAP Prinzip mit rangestellter Recherche (Eigene Abbildung).


 
Erfassen

Zur Datenverarbeitung sind zunächst Methoden zur Datengewinnung nötig. Dies sind klassische Vermessungen und Kartierungen. Auch empirische Methoden sowie Fernerkundungen und Datenübernahmen sind denkbar. Immer häufiger kommen Sensoren zum Einsatz, um etwa Daten zur Luftqualität zu erfassen.

Verwalten

Geodatenbanksysteme dienen dazu, die erhobenen Geodaten zu speichern und verfügbar zu machen. Hier finden sich geometrische und topologische Modelle, Sachdaten sowie Abbildungen von Realwelten wie etwa Geoobjekte (Das sind tatsächlich vorhandene Objekt, die mittels Geodaten eindeutig referenzierbar sind).

Analysieren

Um mit den Datenbanken zu arbeiten, ist ein Analyse-Tool nötig. In Form einer Software oder Applikation erlaubt es die geometrische, topologische, temporale oder thematische Analyse von Geodaten. Auch kombinierte Analysen sind denkbar. Mengen-Operationen, Verschneidungen und räumliche Statistiken helfen bei der Analyse.

Präsentieren

Interessierte sehen am Ende vor allem die Präsentation der Geodaten. Dabei handelt es sich um eine grafische Benutzerschnittstelle, die die Kommunikation zwischen Nutzer und System erlaubt. Hier ist die Kommunikation zwischen Nutzer und System im Rahmen interaktiver Web-Apps und Karten, Tabellen oder Diagrammen möglich.



Quiz

Die Geschichte des GIS besteht aus mehreren Etappen. Alles beginnt mit der Digitalisierung der Dateneingabe und -speicherung.


 

2.3    Komponenten eines GIS

GIS ist ein integriertes System aus mehreren Komponenten: Informationenüber die reale Welt, die zu einer digitalen Datenbank mit räumlichen und nicht-räumlichen Merkmalen abstrahiert und vereinfacht wurden, die in Verbindung mit spezieller Software und Computer-Hardware und mit dem fachkundigen Urteil der GIS-Anwenders Antworten auf räumliche Fragestellungen liefert4,5

Abbildung 2.3.1: Die Komponenten eines GIS (Maantay/Ziegler 2006: 9)

     
Hardware

Die Computerhardware ist nötig, um Daten zu speichern und zu verarbeiten. Zur Anzeige von Grafiken ist der Bildschirm nötig. Auch Geräte wie Scanner und Drucker sowie GPS-Instrumente und Tachymeter zur Erhebung von Daten sind Teil der GIS-Hardware.

Software

Mithilfe von GIS-Software werden die Daten zugänglich gemacht. Hier können sie eingelesen und bearbeitet werden. Hinzu kommen Schreib- und Bildbearbeitungsprogramme sowie Tabellenprogramme.

Daten

Digitale GIS-Daten enthalten geografische Informationen. Sie werden mithilfe der Hardware und Software zugänglich. Dabei hängt das Resultat stets von Größe und Anzahl sowie von der Qualität der Daten ab. Je nach Themengebiet enthalten die Daten Fachinformationen wie Geodaten, Luftbilder oder Höhenmodelle.

Anwender

Fachleute benutzen GIS um mithilfe von Informationen räumliche Fragestellungen zu beantworten.


Quiz

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2.4    Differenzierung von GIS

Kartographische Abbildungen, interaktive Karten, Web-GIS oder Desktop-GIS sind heutzutage gängige Darstellungsformen bzw. Werkzeuge, die aus den öffentlichen Medien, den Fachanwendungen sowie der Forschung und Entwicklung nicht mehr wegzudenken sind. Aufgrund ihres unterschiedlichen Funktionsumfanges kommen die jeweiligen Anwendungen jedoch nutzerspezifisch und praxisorientiert in verschiedenen Bereichen zum Einsatz. So verbergen sich hinter Umweltinformationssystemen, Grundstückskatastern oder Netzinformationssystemen meistens Geoinformationssysteme, welche auf die speziellen Anforderungen zugeschnitten sind und teilweise auf unterschiedlichen informatischen Konzepten beruhen. Bei der Verwaltung von Grundstücken geht es z.B. primär um Grenzverläufe und deren exakte Positionierung. Grundstücksgrößen (Flächen), Grenzverläufe (Linien) und Grenzsteine (Punkte) haben eine bedeutende Rolle, so dass es vor allem auf die geometrische Exaktheit des Datenbestandes und der kartographischen Abbildung ankommt. Bei Netzinformationssystemen hingegen werden z.B. Ver- oder Entsorgungsnetze für Gas, Wasser oder Strom abgebildet. Eine Leitung wird im System durch eine Linie repräsentiert, bedarf aber zusätzlicher Informationen etwa über die (Fließ-)Richtung, der Durchflussmenge oder der Verzweigung an Kreuzungen.


Abbildung 2.4.1: Unterschiedliche Endgeräte für GIS-Anwendungen (Quelle: https://www.topographics.de/gis-anwendungen/gis-applikationen/esri-gis/).

 
Interaktive Karten

Kartographische Darstellungen gehören heute bei vielen Webseiten zu einer gängigen Information. Ob bei Tourismusdestinationen, Firmenpräsentationen oder Webauftritten von Gemeinden und Städten, Geoinformation ist stets präsent und wegen ihrer hohen Anschaulichkeit an zentralen Stellen positioniert. Waren früher die meisten Kartendarstellungen statisch und konnten vom Nutzer nur betrachtet aber nicht verändert werden, sind heute die Karten zumeist interaktiv gestaltet. Damit kann der Nutzer selbst den Informationsgehalt und die Informationsfülle bestimmen bzw. abrufen. Zu den Merkmalen interaktiver Karten gehören Funktionen wie Zoom, Standortsuche, Verschieben des Kartenausschnittes, anklickbare Elemente, Abrufen von Informationen, Verändern von Farben und Symbolen oder das Ein- und Ausblenden von Informationsebenen (z.B. Wetterdaten, Wanderwege, Straßen, touristische Sehenswürdigkeiten, Gebäude und vieles mehr).

Interaktive Kartendienste werden heute von vielen Firmen angeboten (u.a. Google, Microsoft, Yahoo, …). Google Maps ist wohl das bekannteste Informationsportal. Es bietet neben den bereits erwähnten interaktiven Funktionen mittlerweile ein breites Anwendungsfeld. So lässt sich z.B. zwischen einer Karten- und einer Satellitenansicht (Luftbild) wechseln oder sogar eine Verschneidung aus beiden (Hybrid) anzeigen.

Eine andere häufig genutzte Funktion von Google Maps ist die Ermittlung von Fahrrouten. Durch die Definition eines Start- und Zielortes anhand von Adressdaten können Informationen zu optimalen Fahrstrecken abgerufen werden. Das Ergebnis wird sowohl auf der Karte als auch in einer textlichen Erläuterung mit Navigationsanweisungen präsentiert. Zusätzlich werden alternative Routen vor- geschlagen, die in der Wegstrecke oder der Fahrzeit abweichen können. Durch ein einfaches Anklicken der ermittelten Fahrstrecke in der Kartendarstellung lässt sich die Route beliebig verschieben. Das System aktualisiert stets die Auskünfte zu Streckenlänge und Zeit. Die Qualität der Auskünfte hängt dabei von den vorliegenden Geodaten, im Besonderen des Straßennetzwerkes, und den verwendeten Algorithmen zur Routenermittlung ab. Um aussagekräftige Informationen zu erhalten, muss im Datenbestand hinterlegt sein, ob es sich bei der Straße z.B. um eine Einbahnstraße handelt, wie schnell ich darauf fahren darf oder ob die Straße überhaupt für Autoverkehr freigegeben ist. Da sich das Straßennetz auch verändern kann, gilt es, die Geoinformationen stets aktuell zu halten. Neuerdings wird sogar versucht, Stau- und Unfallinformationen in Echtzeit in die Berechnungen von zeitoptimalen Routen mit einzubeziehen.

Der Markt für Geodaten und Geoinformationssysteme wurde durch die Entwicklungen im Bereich interaktiver Karten und virtueller Globen revolutioniert. Obwohl die Softwarelösungen, wenn auch nicht in der heute bekannten Qualität, bereits seit den 70er Jahren vorhanden waren, lag es vor allem an der mangelnden oder mit sehr hohen Kosten verbundenen Verfügbarkeit an Geodaten. Was ist also ein Geoinformationssystem ohne Daten? Erst durch die breite Einführung von frei zugänglichen Geoinformationsdiensten durch z.B. Google und anderen großen Internet- bzw. Softwarefirmen veränderte sich der Umgang mit Geoinformationen. Seither sind digitale Geodaten wie Straßennetze, Staatsgrenzen oder Satellitenbilder, die vormals nur Militärs, Behörden oder zahlungskräftigen Nutzern vorbehalten waren, einsehbar. Durch den Wettbewerb der verschiedenen Systeme untereinander und auch dem Wettbewerb zwischen kommerziellen Anbietern und staatlichen bzw. amtlichen Kartendiensten, erfolgte eine rasante Ausdehnung des Geodatenbestandes, die bis heute anhält. Dadurch bestehen heute völlig neue Möglichkeiten Geoinformationssysteme einzusetzen.

Im Internet überwiegen interaktive Karten bzw. interaktive kartographische Anwendungen. Mit ihnen können vor allem Statistiken sehr schnell und bequem kartographisch visualisiert und einem breiten Publikum präsentiert werden. Im Gegensatz zu einem umfassenden GIS können dort jedoch keine neuen Daten integriert, sondern nur vom Autor vorgegebene Ansichten und Funktionen genutzt werden. Es handelt sich folglich zwar um interaktiv präsentierte, aber im Datenbestand geschlossene Systeme und somit um raumbezogene Auskunfts- und Informationssysteme.6

Web-GIS

Web-GIS Anwendungen sind wegen ihrer Präsenz im Internet – im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine Website oder Web-Applikation – auf den ersten Blick ähnliche Darstellungsformen, der Unterschied allerdings ist gravierend. So erlauben webbasierte GIS einen wesentlich größeren Funktionsumfang, der dem Nutzer die Möglichkeit bietet, seine Karte individuell aus vorhandenen Daten zusammenzustellen (Maps on demand), den Ausschnitt frei zu wählen (Zoomen) und einfache Analyseschritte (z.B. Datenabfrage und Messen) durchzuführen. Zum Teil ist es sogar möglich bzw. erwünscht, eigene Daten in das System zu integrieren und damit den Datenbestand zu verändern. Aufgrund ihrer intuitiven Gestaltung brauchen die Nutzer solcher Webdienste i.d.R. keine speziellen GIS-Kenntnisse, sondern müssen lediglich den Umgang mit Internetbrowsern beherrschen und mit dem Navigieren bzw. Orientieren in Karten sowie dem Lesen von Karteninformationen vertraut sein. Besonders Webapplikationen zur Planung von Outdoor-Aktivitäten wie Radfahren, Mountainbiken oder Wandern verwenden diese Technik. Nutzer können sich eigene Routen am PC zusammenstellen und z.B. als GPS-Track downloaden. Aber auch Statistikämter und öffentliche Verwaltungen setzen derartige Anwendungen ein, um Bürger umfangreich zu informieren.7

Desktop GIS

Desktop-GIS bieten im Gegensatz zu interaktiven Karten und Web-GIS zahlreiche Analysewerkzeuge, eine verbesserte Datenverwaltung und einen uneingeschränkten Zugang zum Geodatenbestand (Manipulation), weshalb erst jetzt von einem umfassenden GIS im Sinne der genannten Definition gesprochen. Die Struktur der Software ist modular und gliedert sich häufig in drei Teilsysteme: Der Datenverwaltung und –organisation, der Analyse- und Abfrage sowie der Präsentationsoberfläche. Jedes Subsystem stellt spezielle Funktionen zur Erfassung, Speicherung, Prüfung, Manipulation, Integration, Analyse und Darstellung von Daten zur Verfügung. Die Qualität von Desktop-GIS-Angeboten definiert sich in der praktischen Anwendung zumeist über den Umfang an Analysewerkzeugen und deren Güte. Dabei zeigt sich, dass Open-Source-Produkte (z.B. QuantumGIS, gvSIG oder GRASS GIS) teilweise hinter kostenpflichtigen Softwarelösungen (ArcGIS oder Map3D) zurückbleiben, in den letzten Jahren aber eine stetige Funktionserweiterung erfahren haben.8

Mobile GIS

Ähnlich zu anderen webbasierten Anwendungen geht auch der Trend bei GIS einerseits in Richtung mobiler Endgeräte und andererseits zu zentralen Systemen. Applikationen für Mobiltelefone oder TabletPCs mit Kartendarstellungen oder räumlichen Auskunftsplattformen (z.B. Routenplanung) sind keine Seltenheit mehr und erobern zusehend den Alltag. Gleichzeitig werden über zentrale GIS Server spezielle räumliche Analysefunktionen bereitgestellt (GIS Application Server). Es können aber auch Daten gespeichert und auf Anfrage ausgeliefert (z.B. Geodatenbankserver) bzw. für eine Website oder Web-Application (Web-GIS Server) bereitgestellt werden.

Über die reine Routenberechnung im Internet hinaus ist der Bereich der mobilen Navigation aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche mobile Geräte wie Smartphones oder Navigationsgeräte für das Auto bieten in Verbindung mit globalen Satellitenpositionierungsdiensten (GNSS, Global Navigation Satellite Systems) Hilfe bei der Suche von Standorten an. Dabei steckt in einer Navigationssoftware, egal ob im Internet oder in mobilen Geräten, mehr als nur eine Anzeige von Karten auf einem Bildschirm. Wie können Netzwerke erfasst und sowohl kartographisch als auch topologisch richtig abgebildet werden? Welche Algorithmen eignen sich am besten für die Berechnung von Routen? Neben der reinen Suche nach einer optimierten Route, wie sie bereits am Beispiel von Google Maps ersichtlich wurde, ist bei der Navigation mit mobilen Geräten die Positionsbestimmung eine unverzichtbare Komponente.


Abbildung 2.4.2: Positionsbestimmung mithilfe von Satelliten.


Dabei greifen die Geräte auf die weltweit verfügbare Satellitenpositionierung zurück. Deren bekanntester Vertreter ist das amerikanische System Global Positioning System (GPS) bzw. NAVSTAR GPS. Erst seit etwa fünfzehn Jahren ist dieses eigentlich militärische Satellitensystem auch für zivile Anwendungen, wie etwa Fahrzeugnavigation verwendbar. Mit einer Genauigkeit von ca. 3 bis 5 Metern lässt sich anhand des GPS-Signals die eigene Position auf der Erde bestimmen. Durch eine ständige Positionierung ist sogar die Messung von Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit möglich.9

Die Positionsbestimmung durch Satelliten ist für viele Anwendungen der Geoinformatik wichtig und beeinflusst unser tägliches Leben: in vielen Autos sieht man Navigationsgeräte, nahezu jedes moderne Smartphone verfügt über die GPS Funktion und auch in vielen Notebooks bzw. TabletPCs wird GPS immer öfter integriert. Damit ist die Entwicklung aber nicht abgeschlossen. Mit dem europäischen System Galileo, dem russischen GLONASS und dem chinesischen System Compass gibt es vielversprechende Konkurrenten für GPS. Für einen vertiefenden Einblick in die Thematik der globalen Positionierungssysteme ist auf das Vertiefungskapitel „Global Navigation Satellite Systems“ verwiesen.

Virtuelle Globen

Aus Sicht der Geoinformatik eine konsequente Fortentwicklung, für die breite Öffentlichkeit ein faszinierendes Werkzeug: die Einführung von sogenannten Earth Viewern. Google Earth, Marble, Microsoft Bing Maps 3D oder NASA World Wind sind nur eine kleine Auswahl von vielen Programmen, die es erlauben, räumliche Daten und Satellitenbilder auf einem digitalen Globus zu betrachten. Bei den Virtuellen Globen handelt es sich ebenfalls um Geoinformationssysteme, die Auskunft über räumliche Strukturen und Prozesse geben. Die technische Herausforderung dabei ist zum einen die dreidimensionale Präsentation der Daten auf einem meist frei dreh- und zoombaren Globus sowie die Übermittlung (streaming) großer Geodatenmengen.

Virtuelle Globen verwenden als (kartographische) Grundlage zumeist Luft- und Satellitenbilder, welche passgenau auf die Erdoberfläche und auf ein digitales Geländemodell (DGM) projiziert werden (image drapping). Dadurch entsteht bei einer Schrägluftansicht der Eindruck einer dreidimensionalen fotorealistischen Ansicht (vgl. Abbildung 9). Zusätzlich zu den Satellitenbildern lassen sich weitere Geoinformationen wie etwa Straßen, Ortschaften oder so genannte points of interest (POIs) anzeigen. Virtuelle Globen ermöglichen es zudem, eigene Daten wie etwa Fotoaufnahmen oder eigene POIs in das System zu integrieren. Weitere Funktionen sind z.B. die Visualisierung des Sonnenverlaufs mit Schattenbildung, historische Luft- und Satellitenbilder oder die Betrachtung dreidimensional animierter Gebäude bzw. ganzer Städte.


Abbildung 2.4.3: Screenshot Google Earth.

Aktuelle Bestrebungen beschäftigen sich mit dem Einbinden von Echtzeitinformationen bzw. zeitnaher Informationen wie etwa Wolkenverteilung oder Wettergeschehen und der Sammlung weiterer Geoinformationen. Zu Letzterem zählt die systematische Erfassung ganzer Straßenzüge und Städte mit digitalem Bildmaterial durch 360° -Bodenansichten (Panoramabild). Virtuelle Globen werden zunehmend mit diesen Informationen ergänzt, um dem Nutzer einen Zoom bis auf die Bodenperspektive anzubieten. Damit lässt sich die Situation vor Ort aus einer simulierten Eigenperspektive betrachten.

Mit ihren faszinierenden Funktionen haben virtuelle Globen heute ebenso Eingang in den Alltag gefunden wie GPS oder Routenplanung. So bedienen sich z.B. Nachrichtensendungen im Fernsehen immer häufiger virtueller Globen, um die Region der betreffenden Nachricht vorzustellen oder Touristen, um ihren Urlaubsort vor Reisebeginn bereits virtuell zu besuchen. Die technologische Entwicklung geht indessen weiter. Neue Geodaten in immer besserer Qualität werden aufgenommen und deren Visualisierung z.B. auch auf mobilen Endgeräten verbessert. Zudem wird die Technologie auf andere Planeten bzw. Himmelskörper übertragen, so dass Google z.B. auch die Betrachtung des Mondes oder des Mars in dreidimensionaler Form anbietet.


Die umfassende Arbeit mit GIS erfordert heute eine Kombination aus den genannten Anwendungen und Möglichkeiten. So werden Geodaten zentral auf einem Server verwaltet, wozu ein entsprechendes Datenbankmanagement erforderlich ist. Nutzer greifen über das Internet auf diese Daten zu, Geospezialisten analysieren und verarbeiten die Daten im Desktop GIS und Web-Applikationen stellen die Informationen einem breiten Publikum zur Verfügung und machen sie auf mobilen Geräten einsetzbar. Das breite Anwendungsspektrum von GIS zeigt die große Relevanz räumlicher Informationen auf, geht es doch bei allen genannten Anwendungen schließlich darum, eine Verknüpfung von Raum und Information herzustellen.

2.5    Die Abbildung der realen Welt

 
Modellbildung

Modellbildung Ein Modell ist stets eine vereinfachte Darstellung der Wirklichkeit. Dementsprechend ist es Aufgabe der kartographischen Modellbildung auf jeweils modellrelevante Aspekte aus der Wirklichkeit (Geoinformationen) zu fokussieren. Dabei ist eine Begrenzung des gesamten Abbildes (Georaum) anhand verschiedener Größen möglich, deren Einschränkungen auch parallel wirken können:

1. Räumliche Begrenzung:
Auswahl eines horizontalen Ausschnittes aus dem Georaum bzw. der Erdoberfläche. Ausnahmen hiervon sind Gesamtdarstellungen der Erde, wobei diese jedoch entweder starken Verzerrungen oder unechten Darstellungen sowie einer starken thematischen Begrenzung unterliegen.

2. Thematische Begrenzung:
Sachbezogene Auswahl des Kartengegenstands mittels eines Themas. Thematische Karten stellen Sachverhalte, Objekte oder Erscheinungen aus z.B. der Litho-, Pedo-, Hydro-, Atmo-, Bio- oder Soziosphäre des Georaumes dar.

3. Zeitliche Begrenzung:
Kartographische Darstellung eines bestimmten Zustandes oder eines Zeitintervalls.

Eine Reduzierung bzw. Abstraktion ist bei einem kartographischen Modell unerlässlich. Als Beispiel soll eine Weltdarstellung mit der Analyse globaler Handelsbeziehungen und globaler Arbeitsteilung dienen. Eine Abbildung der Erde in einem Maßstab 1:1 käme zwar der Realität nahe, brächte aber für die Anschaulichkeit nichts. So könnten Handelsbeziehungen über große Distanzen weder erfasst noch dargestellt werden. Eine Abbildung der Erde im Maßstab 1:1 ist folglich für die Analyse und Beantwortung globaler Fragestellungen nicht geeignet, weshalb zur thematischen Reduktion (Handelsbeziehungen) eine maßstabsgebundene Reduktion unerlässlich ist (vgl. Abbildung 2.5.1).

Abbildung 2.5.1: Globale Handelsbeziehungen (Quelle: Le Monde diplomatique, 2009, S. 56).

Folglich erfasst ein Modell nicht alle Informationen des Originals, sondern nur diejenigen, die von Interesse sind. Obwohl damit stets ein Informationsverlust einhergeht, ist es gerade die Stärke von Modellen auf gewisse Sachverhalte zu fokussieren und diese anschaulich zu präsentieren. Damit geht ein Pragmatismus einher, indem bei der Erstellung des Modells gefragt wird, aus welchem Grund (Warum?), zu welchem Zweck (Wozu?) und für welche Person bzw. Gruppe (für Wen?) das Modell gemacht wird. Erst durch die Beantwortung dieser Fragestellungen lässt sich ein Modell fassen und auch dekonstruieren. So verfolgt die Modellbildung die Ziele, einen bestimmten Sachverhalt in den Mittelpunkt zu rücken (Spezifizierung) und die Informationen zu speichern (Dokumentation), damit der Sachverhalt anschaulich aufbereitet (Visualisierung) und zur Entscheidungsfindung präsentiert (Vorlage) werden kann (vgl. Abbildung 2.5.2).

Abbildung 2.5.2: Ziele der Modellbildung (Eigene Abbildung).


 
Das Geoobjekt

Zur Datenverarbeitung sind zunächst Methoden zur Datengewinnung nötig. Dies sind klassische Vermessungen und Kartierungen.

Das Layerprinzip

Zur Datenverarbeitung sind zunächst Methoden zur Datengewinnung nötig. Dies sind klassische Vermessungen und Kartierungen.



 
Interaktive Aufgabe

Jon Snow hat vergessen, wo er seine Daten erhoben hat. Können Sie sich noch erinnern und ihm helfen?

Platzieren Sie den Layer mit den Cholera-Fällen rechts unten an der richtigen Stelle auf der Karte.
(Tipp: Öffnen Sie die Karte im Vollbild.)

Zur Datenverarbeitung sind zunächst Methoden zur Datengewinnung nötig. Dies sind klassische Vermessungen und Kartierungen.



2.6    Was sind Geodaten?

 

In Anlehnung an das EVAP-Modell helfen GIS vielen geographischen Teildisziplinen, verschiedene Sachverhalte und Prozesse auf der Landoberfläche zu erfassen, zu analysieren, aufzubereiten und auch zu präsentieren. GIS besitzen nicht nur in der Wissenschaft sondern auch im Alltag große Relevanz, da mit dessen Hilfe verschiedenste räumliche Fragestellungen beantwortet werden können:

  • Wo befindet sich das nächstgelegene Krankenhaus?
  • Welchen Weg muss ich nehmen, um am schnellsten von A nach B zu gelangen?
  • Wo befindet sich der beste Standort für mein Unternehmen?
  • Wo sind bisher ungenutzte Absatzmärkte für mein Produkt?
  • Wer ist der Eigentümer eines bestimmten Grundstücks?
  • Wie sind die Geländeformen im Alpenvorland zu erklären?
  • Welche Flächen werden bei einem Hochwasser einer bestimmten Stärke überflutet?
  • Wo existieren in meiner Stadt soziale Problemgebiete?

Um diese Fragen zu beantworten, benötigen wir Daten darüber, wo bestimmte Sachverhalte vorliegen. Sind Daten eindeutig auf der Erde lokalisierbar, werden diese als Geodaten oder raumbezogene Daten bezeichnet.10

Geodaten1,3,10

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Quiz

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Recherche

Informieren Sie sich über die Arbeiten des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie sowie der Bayerischen Vermessungsverwaltung. Richten Sie Ihren Fokus dabei auf die von den Ämtern zur Verfügung gestellten Geodaten und beachten Sie hierbei Bezugsmöglichkeiten, Kosten und Urheberrechte.

In einem GIS werden die genannten Funktionen um die entscheidende Raumkomponente erweitert. Damit Informationen verortbar sind, muss allen Daten eine räumliche Referenz, z.B. in Form von Koordinaten, die sich auf ein eindeutiges Koordinatensystem beziehen, hinzugefügt werden. Mit Koordinatensystemen lassen sich sowohl zweidimensionale (2D) als auch dreidimensionale (3D) Positionierungen durchführen. Für eine Positionsbestimmung auf der Erde ist es allerdings notwendig, ein geeignetes Koordinatensystem zu haben, mit dem sich die komplexe, dreidimensionale, unregelmäßige und nicht symmetrische Erdfigur abbilden lässt.

Mehr zum Thema Koordinatensysteme erfährst du im Modul 4.

Quellen der Abbildungen

       

Alle Abbildungen ohne Quellenvermerk wurden unter freier Lizenz von Pixabay bezogen.
https:pixabay.com

Literaturverzeichnis

      

1: Kappas, Martin (2012): Geographische Informationssysteme; 2. Aufl., Westermann Verlag; Braunschweig.

2: GISGeography (2023): The remarkable history of GIS; URL: https://gisgeography.com/history-of-gis/ (Zugegriffen am 17.02.2023).

3: Bill, Ralf (2016): Grundlagen der Geo-Informationssysteme; Wichmann Verlag; Berlin.

4: Maantay, Juliana/Ziegler, John (2006): GIS for the urban environment; ESRI Press; Redlands, California.

5: GIS Lernen (2023): Aufbau und Funktionsweise von GIS; URL:
https://www.gis-lernen.de/einfuehrung/gis-einfach-erklaert/ (Zugegriffen am 22.03.2023).

6: Hanewinkel, Christian (2009): Interaktive Karten; Informationen zur Raumentwicklung (10/11).

7: Alesheikh, A.A., Helali, H. and Behroz, H.A. (2002): WebGIS - Technologies and Its Applications; Symposium on Geospatial Theory, Processing and Applications, Symposium sur la theorie, les traitements et les applications des donnees Geospatiales, Ottawa.

8: De Lange, Norbert (2013): Geoinformatik in Theorie und Praxis; 3. Aufl., Springer Spektrum, Berlin.

9: Department of Defense & GPS Navstar (2008): Global positioning system standard positioning service performance standard; 4. Aufl.

10: Hennermann, Karl (2014): Kartographie und GIS - Eine Einführung; 2. Aufl., WBG, Darmstadt

Zur Vertiefung

      

Geschichte des GIS: http://downloads2.esri.com/ESRIpress/images/82/HarvardBLAD_screen.pdf

Open Source GIS Sotfware: https://gisgeography.com/free-gis-software/

Unterschied zwischen Google Maps und Google Earth: https://gisgeography.com/google-earth-vs-google-maps/